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Annäherungen und erste Thesen

In den vergangenen Jahrzehnten arbeiteten Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Geschichtsdidaktik mit viel Energie und Geduld an der Entwicklung von Schlüsselkonzepten, theoretischen Rahmenbedingungen, analytischen Begriffen und Methoden, um das Forschungsfeld der Geschichtsdidaktik beschreibbar und analysierbar zu machen. 

Die gemeinsamen Bemühungen um ein profundes Verständnis von „historischem Lernen“, „historischem Denken“ und „historischem Bewusstsein“ wurden ab den 1970er-Jahren durch die Idee beflügelt, eine angemessene Theorie – und Kultur – für den Geschichtsunterricht in demokratischen Gesellschaften zu entwickeln. 

Vor dem Hintergrund dieser theoretischen und methodischen Debatten entstanden in den darauffolgenden Jahren weitere Interessengebiete für die Geschichtsdidaktik. „Geschichtsbewusstsein“ und „historisches Denken“ wurden als erzieherische und kulturelle Herausforderungen erkannt, die über den Geschichtsunterricht an Schulen und Universitäten hinausgingen.

In der Folge wurden historische Sinnbildung und historische Identität zu relevanten Fragestellungen für die verschiedenen Formen von „Geschichtskultur“ in der Gesellschaft, ob sie nun in Geschichtsmuseen, in der Erinnerungskultur, in der politischen Debatte oder im Bereich der Public History, im Fernsehen, im Film, in Videos, im Internet und in Computerspielen auftraten.

Die Dynamik der digitalen Revolution mit ihren innovativen Kommunikationsformen, Möglichkeiten der Interaktion und der medialen Vielfalt hat neue Beziehungen und Perspektiven der Idee von „Geschichtsbewusstsein“, „historischem Denken“ und „Geschichtskultur“ hervorgerufen, aber auch Unsicherheiten und Ungewissheit. Historische Narrationen, ob sie nun im Klassenzimmer, in Universitätskursen, in Geschichtsmuseen oder im öffentlichen Raum zu finden sind, werden in vielfältiger Weise geschrieben, kommuniziert und umgesetzt. Allerdings stehen die Auswirkungen der auditiven und visuellen Narrationen auf die historische Sinnbildung und auf die Identitätsbildung der „sozialen Subjekte“ erst am Anfang der wissenschaftlichen Debatte und Reflexion. 

Angesichts dieser immer rasanter fortschreitenden Wende (cultural change) scheint nun ein guter Moment zu sein, die Schlüsselkonzepte der Geschichtsdidaktik zu überdenken und anzupassen. Die Graz Conference 2020 will einige Schritte in diese Richtung unternehmen, indem sie die vergleichenden, transnationalen und globalen Aspekte und Dimensionen dieser Konzepte und ihrer Terminologie stärker in den Vordergrund stellt.

Die Herausforderungen in der Geschichtsdidaktik und historischen Bildung bestehen heute darin, eine solide theoretische Grundlage zu schaffen

  • für die Arbeit an historischen Narrativen in einer nachhaltigen globalen Welt, 
  • für die Etablierung demokratischer Gesprächskulturen und Reflexionen in multikulturellen Gesellschaften und 
  • für die Kommunikation, Konstruktion, Ausführung, Inszenierung, Verhandlung und Infragestellung historischer Narrative in den digitalen Gesellschaften (und ihren „clouds“).

Schlüsselkonzepte der Geschichtsdidaktik wie „Geschichtsbewusstsein“, „historisches Denken“ und „Geschichtskultur“ waren in den letzten Jahrzehnten Gegenstand verschiedener Ansätze und Definitionen. Bei einem vergleichenden Forschungsansatz basiert die derzeitige Terminologie jedoch immer noch auf den nationalen und/oder regionalen Netzwerken und Schulen der Geschichtsdidaktik, z.B. der deutschsprachigen Gemeinschaft, der britischen Gemeinschaft, der kanadischen Gemeinschaft oder der Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten. In einem lebendigen Diskurs zur Geschichtsvermittlung entstehen und entwickeln sich neue Netzwerke, wie zum Beispiel in Australien, Brasilien, Chile, China, Indonesien, Japan oder im Süden und Norden Afrikas.

Annäherungen und Unterschiede in den theoretischen Grundlagen zwischen diesen verschiedenen Gruppen wurden in den verschiedenen Communities – die immer noch stark am jeweiligen regionalen und/oder nationalen „Geschichtsbewusstsein“ orientiert sind – bis zu einem gewissen Grad diskutiert, aber sie wurden nicht umfassend in einer transnationalen oder globalen Ausrichtung bespropchen oder systematisch verglichen. Dabei ist zu beobachten, dass das Interesse an vergleichender, international ausgerichteter Forschung wächst. Jüngste Veröffentlichungen brachten die Diskussion in eine stärker vergleichende Perspektive. 

Die Graz Conference 2020 wird daher eine Möglichkeit bieten, die theoretischen Diskussionen in einer interkulturellen, globalen Perspektive zu diskutieren und zu vertiefen.

Die Terminologie der Geschichtsdidaktik verlangt im transnationalen und global ausgerichteten Diskurs nach einer kohärenteren und nachhaltigeren Kommunikation. Eine solche Kommunikation kann nicht nur auf einer wettbewerbsorientierten akademischen Debatte beruhen. Es erfordert eine Kultur des gegenseitigen Verständnisses, eine Kultur der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, in der die Beteiligten dieser globalen Kultur bereit sind, sich gegenseitig zu verstehen und das, was von einer Seite kommt, mit den Ergebnissen und Reflexionen der anderen Seite zu vergleichen.

Die Gespräche und Diskussionen während der Graz Conference werden Impulse für innovative Forschung geben und, wie wir hoffen, zur Konzeption von Forschungsprojekten über die interkulturellen, transnationalen Dimensionen der Schlüsselkonzepte der Geschichtsdidaktik führen.

Kontakt

Univ.-Prof.i.R. Mag. Dr.phil.

Alois Ecker

Institut für Geschichte
Heinrichstraße 26/VI
8010 Graz


Institut für Geschichte
Heinrichstraße 26/VI
8010 Graz

Benjamin Ecker

Institut für Geschichte
Heinrichstraße 26/II
8010 Graz


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